Gwenaël Morin: Ich lese Fräulein Julie von August Strindberg und ich denke an Tiere. Die Verhaltensforschung verwendet den Terminus technicus "Liebesparade", um die Signale zu beschreiben, die die Paarung einleiten. Ich versuche mir die Parade der moralischen, sinnlichen und gefühlsmässigen Reaktionen vorzustellen, die Julie bewegen und allein durch die Sexualität begründet sind. Ich versuche auch zu verstehen, warum Julie Mitleid erweckt. Fräulein Julie. Drei Personen: Jean, Julie, Christine. Der Gärtner, das Bürgermädchen und das Hausmädchen. Das Bürgermädchen will dem Gärtner den Kopf verdrehen, ihre soziale Vorherschafft genügt, um ihre Absicht zu rechtfertigen. Der Gärtner widersteht jedoch und lässt sich nicht zum sexuellen Objekt degradieren. Er strebt aber den sozialen Aufstieg an und weiss, dass der Körper des Bürgermädchens ihm als Leiter dienen kann. Darum gibt er ihm nach und sie lieben sich: jeder für sich, ohne Entgegenkommen, mit Gewalt. Der Mann aus Berechnung, das Mädchen aus Perversität. Das Hausmädchen, das einerseits dem Gärtner versprochen ist und andererseits dem Bürgertum dient, wohnt passiv bei. Alles geschieht in der Küche: Die Saucen, das Fressen, die Haut, das Fleisch...